Antwort der Senatsverwaltung auf unser Dossier

Im Folgenden die Antwort von Senatorin Manja Schreiner auf unser Dossier.

Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für die im Nachgang zur Informationsveranstaltung zusammengestellten Fragen, die ich im Folgenden sehr gerne beantworten möchte.

Tunnelsicherheit / Sperrung

Der Tunnel „Überbauung Schlangenbader Straße“ im Bezirk Steglitz-Zehlendorf wurde 1980 dem Verkehr übergeben. Die beiden Tunnelröhren nördlich der Wiesbadener Straße sind ca. 270 m, südlich der Wiesbadener Straße ca. 210 m lang, so dass sich einschließlich der
Tunnelvorstrecken und der Brücke über die Wiesbadener Straße eine Gesamttunnellänge von 570 m ergibt.

Die Anforderungen an die Tunnelausstattung und den Betrieb wurden nach den Bränden im Montblanc- und Tauerntunnel grundlegend überarbeitet und werden im Vorschriftenwerk seitdem fortlaufend aktualisiert. Neue Tunnelanlagen werden entsprechend dieser Standards ausgestattet, bestehende Tunnelanlagen werden überprüft und sukzessive nachgerüstet. Der Vergleich der Anforderungen mit der tatsächlich vorhandenen Ausrüstung des Tunnels ÜBS zeigt deutlich die erheblichen Ausstattungsdefizite, die durch Ausfälle der vorhandenen Ausrüstung (Lüftung, Notrufe, Verbindung zur Leitzentrale, Löschwasser u.a.) verstärkt werden. Wegen der benannten Defizite und Ausfälle ist eine Nachrüstung einzelner
Anlagenkomponenten nicht ausreichend; es muss eine grundhafte Erneuerung / Erweiterung der Anlagentechnik und eine bauliche Instandsetzung des Bauwerks erfolgen.

Die bereits ab 2016 geplante bauliche Instandsetzung des Tunnels sowie die grundhafte Erneuerung und Erweiterung aller technischen Einrichtungen im Tunnel wurde mit Blick auf die Entscheidungen zur Bedeutung der Verkehrsanlage – ehemalige A 104 – im Zusammenhang
mit dem Breitenbachplatz ausgesetzt. Eine grundhafte Instandsetzung in Höhe von über 30 Mio. E wäre nicht zu rechtfertigen gewesen, wenn eine Entscheidung erfolgen würde, die Tunnelanlage künftig außer Betrieb zu nehmen. Infolge des vorgenannten Zustandes des Bestandstunnels, insbesondere der technischen Ausstattung, einschließlich regelmäßigen Zustandsprüfungen sowie Sicherheitsbewertungen erfolgten zur Aufrechterhaltung des Verkehrs durch den Tunnel organisatorische Maßnahmen zur weiteren Gewährleistung der Verkehrssicherheit, u.a. Reduzierung der Geschwindigkeit.

Eine im Sommer 2022 durchgeführte Feuerwehrübung zeigte erhebliche sicherheitstechnische Mängel auf. Insbesondere die fehlende Möglichkeit zur Selbstrettung der Tunnelnutzenden
durch fehlende / defekte Lüftungsanlagen und Notrufeinrichtungen wird seitens der Feuerwehr kritisch gesehen. Die Feuerwehrübung wurde protokolliert und endet mit der Aufforderung an den Tunnelbetreiber, die sicherheitstechnischen Einrichtungen der Tunnelanlage schnellstmöglich instand zu setzen, da ein erhöhtes Gefahrenpotential für die Nutzenden und die umliegende Wohnbebauung vorliegen würden. Es ist nicht Aufgabe der Feuerwehr
Berichte oder Gutachten zu erstellen. In Auswertung der protokollierten Ergebnisse wurde deshalb durch den Tunnelsicherheitsbeauftragten des zuständigen Baulastträgers eine „Technische Zustandsfeststellung und Lösungsvorschläge für einen weiteren Betrieb des Tunnels Überbauung Schlangenbader Straße (ÜBS)“ erstellt. Diese Unterlage lag Ende 2022 vor.

Auch der Tunnelsicherheitsbeauftragte forderte, die geplanten Maßnahmen zur Tunnelnachrüstung (mindestens Selbstrettung) umzusetzen und darüber hinaus, den Tunnel bis zur Umsetzung der Maßnahmen außer Betrieb zu nehmen. Weitere verkehrsorganisatorischeMaßnahmen (Geschwindigkeitsreduzierung, Lkw-Verbot, Spursperrungen) waren wegen der trotzdem fehlenden Selbstrettungsmöglichkeiten nicht ausreichend, um den Tunnel sicher weiterbetrieben zu können.
Daraufhin wurden kurzfristige provisorische Lösungen für eine ggf. verkehrlich reduzierte Freigabe des Verkehrs geprüft. Provisorische Lösungen waren und sind wegen der Komplexität und Sicherheitsrelevanz nicht kurzfristig umsetzbar. Zudem würde auch eine provisorische Lösung mit reduziertem Maßnahmenumfang einen hohen Investitionsbetrag erfordern. Diese Prüfung wurde im April 2023 abgeschlossen. In Folge dieses Prüfergebnisses ist der Weiterbetrieb des Tunnels nicht mehr zu verantworten gewesen – die unverzügliche Sperrung als Notmaßnahme erfolgte bis auf Weiteres in beide Fahrtrichtungen. Die beteiligten Behörden waren in den Prozess der Prüfungen eingebunden und wurden im April 2023 über das Ergebnis und die erforderliche Sperrung informiert.

Grundinstandsetzung einschließlich Schadstoffsanierung

Vor dem Beginn der Grundsanierungsmaßnahmen muss der Tunnel teilweise bis zu seinem Rohbauzustand entkernt werden. Dies setzt allerdings voraus, dass gleichzeitig eine Entfernung der Schadstoffe im Tunnel und insbesondere in den Tunnelumräumen erfolgt.
In den Tunnelumräumen verlaufen diverse Versorgungsleitungen für die gesamte Tunnelanlage.
Zur Gewährleistung von schalltechnischen Randbedingungen der Verkehrsanlage bezüglich der vorhandenen nahen Wohnbebauungen einschließlich der Wohnüberbauung Schlangenbader Straße wurden fast im gesamten Tunnel künstliche Mineralfasern (KMF)
verbaut. Vorgenannte KMF befinden sich hauptsächlich in den kompletten Tunnelumräumen sowie auf der Tunneldecke, über den Abhangdecken, in den Fluchttüren und Betriebstüren sowie den Wandfliesen als Schallschlucksteine im Bereich der vier Tunnelportale und in den Fluchtübergängen zwischen den Tunnelröhren. KMF sind aus mineralischen Rohstoffen synthetisch hergestellte Fasern. Die KMF, welche zum damaligen Neubau des Tunnels eingebaut wurden, sind in den meisten Fällen mittlerweile als gesundheitsgefährdend sowie als Schadstoff eingestuft.

Ebenfalls wurden u.a. zur Einhaltung des Brandschutzes während des Neubaus der Tunnelanlage der Baustoff Asbest verwendet und verbaut. Asbest ist im Tunnel u.a. als Asbestschnur an den Fluchttüren sowie Betriebstüren und als Asbestzementrinne in den Waschrinnen der Notgehwege eingebaut. Auch Asbest, als natürlich vorkommende Mineralfaser, wird seit Anfang der 90iger Jahre als gesundheitsgefährdend und Schadstoff eingestuft.

Im Rahmen der bisherigen Planungen erfolgten zur Festlegung des Instandsetzungs- und Schadstoffsanierungsumfanges umfängliche Begutachtungen der vorhandenen Baustoffe und Ausbaustoffe durch akkreditierte Prüflabore. Die Einstufung als Schadstoff sowie die
Gesundheitsgefährdung, insbesondere der im Tunnel vorhandenen KMF und Asbest wurde bestätigt. Entsprechend ist o.g. Schadstoffsanierung zwingend notwendig. Der Ausbau der Schadstoffe
muss unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben sowie den technischen sowie arbeitsschutzrechtlichen Regelungen erfolgen.

Für die Schadstoffbeseitigung und die notwendigen Entkernungsarbeiten sind in einer ersten Schätzung bis zu zwei Jahre anberaumt. Erst danach kann die eigentliche Instandsetzung,
Ertüchtigung und Neuausstattung des Tunnels beginnen.
Darüber hinaus ist die grundhafte Überarbeitung, Aktualisierung und Anpassung der vorliegenden Planungs- und Ausschreibungsunterlagen der verschiedenen Fachlose an die
aktuellen Anforderungen für die Tunnelanlage und auf das aktuell geltende Vorschriften- und Regelwerk erforderlich. Gleiches gilt mit Hinweis auf die nun mehr geltende Ersatzbaustoffverordnung für die Gutachten bzgl. der Baustoffe und Ausbaustoffe.

Es ergibt sich folgende grobe Zeitplanung:

2024

Rückbau der Altausstattungen, Beginn Entkernung einschließlich Schadstoffsanierung der Tunnelanlage, grundhafte Überarbeitung, Aktualisierung und Anpassung der vorliegenden Planungs- und Ausschreibungsunterlagen der verschiedenen Fachlose an die aktuellen Anforderungen für die Tunnelanlage und auf das aktuell geltende Vorschriften- und Regelwerk. Infolge der konstruktiven Verknüpfung des Tunnels mit der Wohnüberbauung müssen die
unterbrochenen Abstimmungen mit der Wohnungsbaugesellschaft degewo wiederaufgenommen und abgeschlossen werden. Die Genehmigungsprozesse zur Instandsetzung müssen ebenfalls wieder aktiviert und zur Genehmigung gebracht werden.

Beginn Ausschreibungsverfahren der Fachlose der nachfolgenden Gewerke:

  • Entkernung, teilweise bis zum Rohbauzustand, inklusive Schadstoffsanierung

2025 bis 2028

Weiterführung der Rückbau- und Schadstoffsanierungsmaßnahmen der Tunnelanlage sowie der grundhaften Überarbeitung, Aktualisierung und Anpassung der vorliegenden Planungs- und Ausschreibungsunterlagen der verschiedenen Fachlose an die aktuellen Anforderungen für die Tunnelanlage und auf das aktuell geltende Vorschriften- und Regelwerk. Beginn Ausschreibungsverfahren der Fachlose der nachfolgenden Gewerke:

  • bauliche Grundinstandsetzung
  • Erneuerung Betriebstechnische Ausstattung
  • Neubau Verkehrstechnische Ausstattung und technische Verkehrsbeeinflussung
  • Straßenbau und Sanierung Straßenentwässerungsanlagen außerhalb des Tunnels
  • Ersatzneubau von Verkehrszeichenbrücken in Abhängigkeit der Verkehrstechnik
  • Einbindung in die neue Tunnelregelungszentrale Berlin (Kabelnetzanbindung Tempelhof)
  • Umsetzung des großräumigen Umleitungskonzeptes für aktuelle Sperrung des Tunnels und während der Grundinstandsetzung
  • Umsetzung des großräumigen Umleitungskonzeptes für das Sperrszenario während des zukünftigen Tunnelbetriebes

Baulicher Beginn der Grundinstandsetzung

Nach aktuellem Stand wird mit einer Wiedereröffnung des Tunnels Schlangenbader Straße für den Straßenverkehr im Il. Quartal 2028 gerechnet.

Verkehrssituation / Verkehrsplanung

Grundsätzlich steht für straßenverkehrsbehördliche Fragestellungen als Ansprechpartner die Zentrale Straßenverkehrsbehörde zur Verfügung. Als stets erreichbare Adresse ist das Funktionspostfach „arbeitsstellen@senmvku.berlin.de
nutzbar.

Die Zuständigkeiten zwischen Hauptverwaltung und Bezirken sind geregelt. Zur Vermeidung von Schnittstellen in diesem herausfordernden Verkehrsgebiet hatte die Zentrale Straßenverkehrsbehörde die Gesamtverantwortung bei der Erteilung von verkehrsrechtlichen Anordnungen übernommen. Nach der Sperrung des Tunnels hat die Zentrale Straßenverkehrsbehörde der
Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt bereits ad-hoc-Maßnahmen ergriffen, die iterativ stetig angepasst und optimiert wurden und werden. Die im Rahmen der Öffentlichkeitsveranstaltung vorgestellten Umleitungsstrecken zur Vollsperrung des Schlangenbader Tunnels wurden am 04. März 2024 eingerichtet.

Gegenwärtig wird die Akzeptanz der Umleitungsstrecke analysiert.
Im Einzelnen wurden unter anderem folgende zusätzliche Maßnahmen umgesetzt:
An der Wiesbadener Straße / Sodener Straße wurde insbesondere zur Schulwegsicherheit eine provisorische Lichtsignalanlage (LSA) und an der Dillenburger Straße / Sodener Straße, unmittelbar vor der Gartenarbeitsschule Ilse Demme, ein temporärer Fußgängerüberweg
eingerichtet. Die hierzu erforderlichen Daten wurden vorab entsprechend erhoben.
Eine Temporeduzierung auf 30 km/h in der Wiesbadener Straße ist aufgrund fehlender Tatbestandsvoraussetzungen derzeit nicht möglich. Bremsschwellen o. ä. sind keine amtlichen
Verkehrszeichen, die durch die Straßenverkehrsbehörde angeordnet werden können. Das Anliegen wurde deshalb an das zuständige Straßen- und Grünflächenamt weitergeleitet. Hinsichtlich der Missachtung der Verkehrsregeln erfolgte wiederholt eine Intensivierung der Überwachung durch den zuständigen, örtlichen Polizeiabschnitt.

Es wurden verkehrliche Einschränkungen im Bereich der Dillenburger Straße / Schlangenbader Straße – Lentzallee vorgesehen, um die Falschfahrten in das Nebennetz zu unterbinden.

Die Nachtabschaltung der Lichtsignalanlage Wiesbadener Straße / Schlangenbader Straße und Wiesbadener Straße / Binger Straße wurde deaktiviert. Zudem wurde die Radinfrastruktur in den eingerichteten Einbahnstraßen durch geeignete Maßnahmen verbessert.

Die Zoppoter Straße wurde als Einbahnstraße eingerichtet.
Weitere Maßnahmen sind bereits in Planung und werden sukzessive umgesetzt. Es ist bereits jetzt zu beobachten, dass die zusätzlichen Verkehrsmaßnahmen zu einer verkehrlichen Entlastung führen.

Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass nicht immer alle Interessen der Verkehrsteilnehmenden vollständig zu berücksichtigen sind, da sie sich teilweise gegenseitig ausschließen und somit Kompromisse nicht vermeidbar sind

Abschließend möchte ich Sie gern auf die Internetseite zur Maßnahme verweisen, welche regelmäßig aktualisiert wird:
https://www.berlin.de/sen/uvk/mobilitaet-und-verkehr/infrastruktur/brueckenbau/tunnel-
ueberbauung-schlangenbader-strasse/

Mit freundlichen Grüßen

Manja Schreiner


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