Unser Dossier zum Schlangenbader Tunnel an die Verantwortlichen

Über die letzten Wochen haben wir im Team ein Dossier aus Fragen entworfen, die uns rund um das Thema Tunnelschließung und die Verkehrssituation beschäftigen. Auszüge dieser Fragen haben wir in der BVV-Sitzung von Charlottenburg-Wilmersdorf am 25.01.2024 gestellt. Das vollständige Dossier haben der Regierende Bürgermeister Kai Wegner sowie Frau Senatorin Manja Schreiner erhalten. Frau Schreiner hat uns auf der Veranstaltung im Titaniapalast zugesagt, dass ihr Haus das Dossier beantworten wird.

Das Dossier in seinem originalen Wortlaut:

Sperrung des Schlangenbader Tunnels

Der „Schlangenbader Tunnel“ ist Bestandteil des Gebäudekomplexes „Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße“ und steht als solches mit der innewohnenden Verkehrsfunktion - mit der erreicht wurde, den Charakter der umliegenden Kieze als Anwohnerkiez zu erhalten - mit weltweitem Alleinstellungsmerkmal unter Denkmalschutz. Die Notwendigkeit, den Tunnel sanieren zu müssen, ist seit vielen Jahren bekannt. Dies ist normalen Instandhaltungsmaßnahmen am Baukörper geschuldet, sowie inzwischen veränderter Anforderungen an die Tunnelsicherheit. Beides sind Aspekte, wie sie jeden Straßentunnel betreffen, insbesondere auch andere große Tunnel in Berlin, wie beispielhaft den Flughafentunnel oder den Tunnel Grenzallee. Gleichzeitig gilt, dass der Schlangenbader Tunnel Durchgangsverkehr im Volumen von rund 50.000 Kfz täglich (PKW, Schwerlast- und Versorgungsverkehr) aufgefangen und aus dem Anwohnerkiez rund um die Überbauung rausgehalten hat.

Obwohl dies ausreichend lange bekannt war, gab es zum Zeitpunkt der Sperrung keinerlei Verkehrskonzept, weder für eine teilweise noch vollständige Tunnelsperrung, mit dem dieses Volumen überhaupt zu bewältigen ist und das auch noch möglichst ohne den Charakter eines Anwohnerkiezes aufzugeben.
Die daraus resultierende Belastung für Anwohnende wie die Umwelt ist enorm. Die Sicherheit für die Verkehrsteilnehmer, insbesondere Fußgänger und Radfahrende, ist drastisch gesunken (mehrere Unfälle mit zum Teil schweren Personenschäden, Sachschäden in 6-stelliger Höhe). Stop and Go,sowie erhebliche Umwege sorgen für erhebliche Emissionen (Lärm, Feinstaub, CO2). Jede Maßnahme – egal ob Sperrung, Verkehrslenkung oder Sanierung – muss in der Abwägung dieser Belastungen erfolgen. Dabei ist grundsätzlich immer zu prüfen, inwieweit es Alternativen gibt, die eine geringere Belastung
für die Anwohnenden ermöglichen.

I. Notwendigkeit der vollständigen Tunnelsperrung
II. Folgen für die Verkehrssituation
III. Fragen zur Sanierung


I. Notwendigkeit der vollständigen Tunnelsperrung

Es gibt bisher keine Begründung dafür, was konkret Auslöser für eine derart kurzfristige und vollständige Tunnelsperrung ohne jedes Verkehrskonzept gewesen ist! Der Bericht der Feuerwehrübung aus Juli 2022 liegt vor. Er weist im Wesentlichen bereits bekannte Mängel auf, sieht aber keine Veranlassung für eine Notsperrung.
I.1 Welche Erkenntnisse hat es nach Juli 2022 über die bis dahin bekannten Mängel hinaus gegeben, die zu einer anderen Bewertung der Tunnelsicherheit geführt haben? Was hat konkret den Auslöser gegeben, den Tunnel vollständig und derart kurzfristig innerhalb weniger Tage ohne jede Vorbereitung (nicht einmal adäquate Beschilderung) zu sperren? Beides auch im Vergleich zu Tunneln wie Flughafentunnel und Tunnel Grenzallee, die im laufenden Betrieb saniert werden.
I.2 Welche Alternativen zu einer kurzfristigen Notsperrung sind mit welchem Ergebnis durch wen geprüft worden? In Frage kommen beispielweise Fortbetrieb in reduzierter Form auf nur einer Spur je Fahrrichtung, Fortbetrieb bei reduzierter Geschwindigkeit, Nutzung nur einer Tunnelröhre etc.
I.3 Ist vor der Sperrung geprüft worden, welche Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit eine vollständige Sperrung des Tunnels im Kiez rund um den Tunnel hat? Hat es eine Abwägung gegeben und wenn ja durch wen?
I.4 Wann sind andere involvierte Behörden über die vollständige Sperrung informiert worden (Senatsintern u.a. Abteilung Verkehrslenkung, Untere Straßenverkehrsbehörde Bezirk, Bund / Autobahn)?

II Folgen für die Verkehrssituation

Seit mehr als 9 Monaten gibt es kein (Verkehrs-)Konzept für den Ausweichverkehr durch die Schließung des Tunnels. Der Senat hat längst festgestellt, dass er keine offizielle Umleitung ausweisen kann, weil
das Straßennetz nicht in der Lage ist, diese zu bewältigen. Der Tunnel soll zwar saniert werden, aber weitere 4 Jahre geschlossen bleiben. Das Verkehrsaufkommen wird sich in der Zeit sogar noch erheblich steigern (Bauprojekte Go-West „Reemtsma-Gelände“, Wohnungsbau Nord-Steglitz,
Baustellenverkehr durch die Sanierung der „Schlange“). Trotz eindeutiger Regelung im AZG und BerlStrG werden Zuständigkeiten zwischen Senat und Bezirk hin und her geschoben und es entsteht teilweise ein Zuständigkeitsvakuum. Das Ergebnis ist maximale Intransparenz für die Bürger im Kiez und die Verhinderung von dringend notwendigen Maßnahmen.

II.1 Haben die Verantwortlichen vor, sich um ein adäquates Konzept, das die Verkehrsprobleme im Kiez berücksichtigt, zu kümmern? Wie lange müssen wir darauf noch warten?
II.2 Inwieweit hat das Land Berlin mit dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf zusammengearbeitet, um die Koordination von Maßnahmen auf den übergeordneten Straßen und dem Nebenstraßennetz zu ermöglichen? Beispiel Kreuzung Wiesbadener Straße / Sodener Straße: Nach 9 Monaten wird endlich eine temporäre Ampel als Fußgängerüberweg und zur Vermeidung von Abbiegeunfällen installiert (Senat). Die Anlage ist bisher nicht einen Tag in Betrieb wegen einer zeitgleich installierten Baustelle (Bezirk). Ergebnis: Immer noch kein sicherer Fußgängerüberweg, stattdessen verhindern die aktuell nutzlosen Behelfsampeln sogar eine zuvor mögliche barrierefreie Querung der Straße.
Die Schulwegsicherheit ist Bezirkssache, betrifft aber auch die übergeordneten Straßen und sollte somit auch im Interesse des Landes Berlin sein. Seit mehr als 9 Monaten gibt es zu diesem Thema keinerlei Berücksichtigung, weder vom Bezirk noch vom Land Berlin. Dem Land steht die Aufsicht zu auch in Bereichen, die in der Verantwortung des Bezirks liegen und könnte daher, bei etwaigen Versäumnissen, eingreifen.
II.3 Hat der Senat geprüft, ob die Schulwegsicherheit durch das vermehrte Verkehrsaufkommen im Kiez gefährdet ist? Wurden Daten erhoben und / oder dazu vom Bezirk angefordert?
II.4 Wird der Senat Maßnahmen ergreifen, die die Schulwegsicherheit auf den übergeordneten Straßen gewährleisten?
Die bisherigen Maßnahmen dienten nachweislich argumentativ einer Verbesserung des Verkehrsflusses der Kraftfahrzeuge durch den Kiez. Die Themen Verkehrslärm, Gefährdung von Fußgängern und Radfahrern, Feinstaub- und Umweltbelastung wurden in den Maßnahmen bislang nicht berücksichtigt. Das Ergebnis sind deutlich gestiegene Stressbelastung der Anwohner, massiv
gefährdete Fußgänger an Kreuzungspunkten und Hotspots und Fahrradfahrer, die, auch vor dem Hintergrund nicht vorhandener Radwege, von den Autofahrern aus den Nebenstraßen ganz verdrängt werden oder auf Fußwege ausweichen und dort Fußgänger gefährden. Nicht zuletzt durch erhebliche
Umwege und Staus in einem für diese Verkehrsbelastung nicht ausgelegtem Nebenstraßennetz, ist auch die Umwelt stark belastet.
II.5 Warum werden sowohl vom Land Berlin als auch dem Bezirk Maßnahmen zur Verkehrssicherheit mit dem Hinweis abgelehnt, dass eine Umleitungsstrecke übergeordnetem Interesse unterliegt, obwohl so eine Umleitung nie beschlossen wurde und auch nicht beschlossen werden kann?
II.6 Wann erfolgen endlich konkrete Maßnahmen wie sichere und barrierefreie(!) Fußgängerüberwege, Verkehrsberuhigungen in Nebenstraßen und übergeordneten Straßen, Fahrradschutzstreifen, entsprechende Kontrollen etc.?
II.7 Sind Ausgleichsmaßnahmen im ÖPNV-Netz geplant?

III. Fragen zur Sanierung

Maßnahmen zur Sanierung des Tunnels sind zwingend in Abwägung der durch eine – teilweise oder vollständige – Sperrung verursachten Verkehrsprobleme zu sehen. Dies betrifft sowohl den Umfang der Maßnahmen, als auch die Gestaltung des Sanierungsprozesses an sich.
III.1 Welche grundsätzlichen Sanierungsmaßnahmen sind zur Wiederinbetriebnahme des Tunnels konkret und zwingend erforderlich (siehe auch III.3)? Wann wurden diese erhoben?
III.2 Sind Alternativen geprüft worden (wann und durch wen) bezüglich verschiedener Varianten der Teilinbetriebnahme auch während der Sanierung (Siehe auch I.2)?
III.3 Als Begründung für den langen Zeitraum von 4 Jahren für die Sanierung wird die Beseitigung von Asbest und anderer krebserregender Schadstoffe genannt.
III.3.1 Haben bisher konkret Prüfungen stattgefunden, wo und inwieweit in für den Fortbetrieb und die Sanierung relevanten Bereichen derartige Materialien verbaut wurden? Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?
III.3.2 Sind die fahrbahnseitigen Oberflächen der Tunnelröhren mit Spritzasbest beschichtet oder mit asbesthaltigen Materialien anderer Art?
III.3.3 Werden die Versorgungsleitungssysteme für die Tunnelentrauchung, die Leittechnik sowie die Beleuchtung im Tunnel geführt oder außerhalb (zwischen Tunnel und Überbauung)?
III.3.4 Sind zum aktuellen Zeitpunkt ausreichend Aspekte zur Schadstoffbelastung bekannt, um einen verlässlichen Zeitplan zur Sanierung festzulegen?
III.4 Sind Möglichkeiten für „beschleunigte Baustellen“ für verschiedene Sanierungsabschnitte geprüft worden?
Zusammenfassung: Unter den in I-III genannten Aspekten und Erkenntnissen: Haben die Kriterien für den Status einer Notsperrung als Vollsperrung in Abwägung zu den aus der Sperrung resultierenden drastischen und großräumigen Folgen heute noch Bestand?

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