Zur Sperrung des Tunnels Schlangenbader Straße
Medial relativ unbemerkt ruft eine verkehrspolitische Entscheidung der Vorgängerregierungen in Berlin bei einigen tausend Anwohnern Unmut und Empörung hervor. Als Betroffener stelle ich mir die Frage: “War es reine Ideologie, Unvernunft, Arroganz oder gegenüber dem Volkseigentum ein Verbrechen, das die Vorgängerregierungen dazu veranlasst hat, die ehemalige Bundesautobahn zwischen Mecklenburgischer Straße und Breitenbachplatz als Autobahn entwidmen zu lassen und die Sperrung des Schlangenbader Straßen- Autobahntunnels in die Wege zu leiten?”
Im Gegensatz zu vielen zugereisten Berlinern, die hieran wohl auch mitgewirkt haben, ist mir die Entwicklung in dem Gebiet um den Breitenbachplatz, von der Laubacher Straße bis zur Mecklenburgischen Straße und vom Breitenbachplatz bis zum Heidelberger Platz, seit meiner Jugend sehr bewusst. Ich bin hier aufgewachsen, lebe heute noch hier und habe die ganze Situation auch noch vor der Schlangenbader Straßenbebauung sehr bewusst erlebt. Ich habe mich auch sehr mit der geschichtlichen Entwicklung und städtebaulichen Entwicklung in diesem Bereich auseinandergesetzt. Meiner Ansicht nach ist eine Zukunftsplanung ohne Betrachtung der Vergangenheit nicht möglich.
Die Autobahn und die Autobahn- überbauung der Schlangenbader Straße wurden nicht gebaut, um – wie es gerne so heute vom Framing her bezeichnet wird – eine autogerechte Stadt zu errichten, sondern um einen bevölkerungsgerechten und kiezgerechten Stadtbereich zu ermöglichen. Primär ging es hier nicht um das Auto, sondern um den Bürger. Dass diese Entscheidung seinerzeit richtig war, belegt die jetzige katastrophale Situation, die man vor Ort jeden Tag zur Rush- hour erleben kann und die auch schon zu einer Vielzahl von Unfällen mit Sachschäden und jüngst auch zu einem mit einem tragischen Personenschaden geführt hat.
Kommen wir aber erst einmal zur geschichtlichen Entwicklung zurück. Gegen 1892 wurde der ehemalige Rastatter Platz errichtet. Mit der Eröffnung der U-Bahn am 26.08.2013 erhielt der Platz den Namen Breitenbachplatz. Namensgeber war Paul von Breitenbach der seinerzeitige preußische Minister der Öffentlichen Arbeiten. Zu dieser Zeit waren hinter den Bauten, die den Breitenbachplatz umgeben, weitestgehend noch Felder. Die U-Bahn wurde gebaut, obwohl es aus heutiger Sicht noch gar keine Fahrgäste gab. So einfach ließe sich die seinerzeitige Situation darstellen und die Vision der damaligen Stadtplaner verdeutlichen. Erst hierdurch und hiernach entstanden weite Bereiche des sog. Rheingauviertels mit den angrenzenden Bereichen bis hin nach Schmargendorf. Der Kiez, der sich von der Laubacher Straße über den Südwestkorso bis hin zur Mecklenburgischen Straße spannt und in dem einige tausend Bürger wohnen, entwickelte sich als idy llischer Stadtbereich mit Schrebergärten, Siedlungsbauten und Einfamilienhäusern.
Der Wohnungsbau in der Nachkriegszeit im geteilten Berlin führte in den Randbereichen von Berlin und hier insbesondere auch im Süd- Westen zu einem deutlichen Bevölkerungszuwachs. Diese Bereiche wurden jedoch nur bedingt durch den innovativen öffentlichen Nahverkehr der Gründerzeit von Groß-Berlin erfasst. Konsequenz war, dass durch den zunehmenden Pkw-Verkehr nicht nur der Breitenbachplatz mit der Schildhornstraße, Englerallee sowie dem Südwestkorso zu Haupttransitstrecken vom Südwesten Berlins wurden, sondern auch die rund 1 km lange Binger Straße. Zu Zeiten des Berufsverkehrs war es schon möglich, dass man 10 – 15 Minuten für diese Strecke mit dem Pkw benötigte, da Stop-and-go durch den Verkehr am Breitenbachplatz und die Vielzahl der am Breitenbachplatz vorhandenen Kreuzungen und Ampeln unumgänglich wurde. Die Binger Straße bekam seinerzeit auch den Spitznamen “Beamtenrennbahn” , da der Volksmeinung nach viele Beamte aus dem Südwesten Berlins in Rich- tung Fehrbelliner Platz etc. fuhren.
Schon in den 50er Jahren war wohl geplant, entlang der Schrebergartentrasse im Verlauf der heutigen Schlangenbader Straße eine den Wohnbereich entlastende Schnellstraße zu bauen, wobei anfänglich hier wohl eine Dammlösung geplant gewesen sein soll. Erst durch die Moschgruppe soll dann das einzigartige Konstrukt eines Autobahntunnels mit Wohnüberbauung nach den Plänen der Architekten Heinrich und Gebrüder Krebs als Alternative in Betracht gezogen worden sein, die letztendlich auch umgesetzt wurde.
Unbestritten ist sicherlich, dass der Breitenbachplatz, der ebenso wie der Rüdesheimer Platz am Reiß- brett entwickelt und auf Feldern gebaut wurde, lässt man den Auto- verkehr außer Acht, bevor die Schlangenbader Straßenbebauung mit der über den Breitenbachplatz errichteten Brücke stand, schöner war. Gleichwohl war der Verkehr im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend, weil der Breiten- bachplatz ein absoluter Verkehrs- knotenpunkt war. Verkehrstote waren auch hier nicht unbedingt eine Seltenheit, weshalb auch Übergänge zu dem im Bereich der Mittelinsel vorhandenen großen Kinderspielplatz gesperrt wurden und auch der Kinderspielplatz mit den Jahren seine Attraktivität aufgrund der verkehrsreichen Situati- on verlor. Durch die Errichtung des Schlangenbader Tunnels sowie der Autobahnbrücke wurde der Verkehr auf dem Breitenbachplatz nachhaltigst reduziert. Durch die in diesem Zusammenhang vorgenommene Schließung der Binger Straße und die Durchfahrtsunfreundlichkeit der Schlangenbader Straße sowie der Johannisberger Straße kam es zu einer nachhaltigen Verkehrsberuhigung für tausende von Mitbürgern / Anwohnern.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass nach der Wende zusätzlich der potentielle Verkehrsbedarf aus diesen Richtungen aufgrund von Pendlern aus Kleinmachnow, Teltow etc. zunahm, so dass auch bei dem Wunsch, den Individualverkehr durch öffentlichen Nahverkehr zu ersetzten bzw. zu mindern, ein Rückgang des Verkehrs zu Zeiten vor dem Verkehrsbedarf von 1976, wo der Schlangenbader Tunnel geplant und errichtet wurde, nicht zu erwarten war und auch nicht zu erwarten ist.
Nunmehr wurde der Schlangenbader Straßen Tunnel aus vermeintlich technischen Gründen geschlossen, wobei die Senatorin, Frau Dr. Manja Schreiner prüft, inwieweit eine Wiederöffnung möglich ist. Erschwerend kommt hinzu, dass offensichtlich bedingt durch die Entwidmung der Straße als Autobahn und durch konkurrierende Ansichten mindestens zweier involvierter, in Teilen politisch anders orientierter Bezirke, eine sachliche Problembearbeitung im Sinne der Anwohner erschwert wird. Hierzu möchte ich sagen, es stellt sich für mich nicht die Frage der Möglichkeit, sondern nur die Frage, wie schnell der Tunnel wieder geöffnet werden kann. Derzeit herrscht Chaos und möge man zu C O2- Immissionen stehen wie man will: durch Staus an etlichen Ampeln, Haltevorgängen an etlichen Kreuzungen sowie Anfahrvorgängen aufgrund von immensen Umfahrungen wird durch die Schließung des Tunnels, auch wenn der Individualverkehr hierdurch vielleicht eventuell ein wenig gemindert werden sollte, weder der Umwelt noch den Bürgern etwas Gutes getan. Anwohnerstraßen werden nunmehr als Durchgangsstraßen genutzt. Polizei und Feuerwehr fahren entgegen den Einbahnstraßen, weil sie nicht wissen, wie sie sonst schnell zum Einsatz in dem Kiez kommen können oder stecke in den überlasteten Nebenstraßen fest. Lieferfahrzeuge und Reisebusse quälen sich durch Anwohnerstraßen und überfahren doch das eine oder andere Mal einen Bürgersteig, weil sie nicht wissen, wie sie aus Sackgassensituationen herauskommen sollen. Kommen dann noch über die Woche verteilt Müllabfuhr, Recyclingabfuhr, Altpapier- abfuhr und die Abfuhr der Biotonne hinzu, geht gar nichts mehr. Zu Zeiten des Berufsverkehrs ist es in dem in den letzten nahezu 50 Jahren recht ruhigen Kiez unerträglich geworden und das nicht nur in einer Straße, sondern in einer Viel- zahl von Straßen, über die sich der ehemalige Verkehr durch den Tunnel nunmehr auf unerträgliche Weise verteilt. Für zwei prominente Schulen / Kitas wurden Straßen zu Anlieger-Frei-Straßen erklärt, was die Situation weiter verschärft und was zudem aber auch die Frage für viele Anwohner aufwirft, „warum bei denen und nicht bei uns“(?).
Schaut man sich die jetzige Situation an, komme ich für mich persönlich zu der eingangs gestellten Frage: “Ideologie, Dummheit, Arroganz oder Verbrechen, da Volkseigentum vernichtet wird.” In jedem Fall möchte ich sagen, dass ich persönlich nicht den Eindruck habe, dass die Politiker, die dies entschieden haben, sich als Treuhänder des Steuer zahlenden Souveräns, nämlich des Bürgers, verstehen.
Das ist meine Meinung!
Abschließend sei noch angemerkt, dass sich eine Bürgerinitiative gebildet hat, die sich vehement für eine Beseitigung des Chaos einsetzt.
Prof. Dipl.-Ing. Ax el. C . Rahn
Erschienen in der Herbstausgabe der Zeitschrift der Baukammer Berlin